Ausgerechnet Koreanisch 1


Am Anfang war das Wort; Worte fügten sich zu einer Struktur, wurden zu Sätzen, und die Regeln der Grammatik schufen die Grundlage für etwas, das wir Sprache nennen. Es gibt heute mehr als 3000 Sprachen weltweit. Davon beherrschen die meisten Deutschen nicht mehr als zwei Sprachen – eine davon ist ihre Heimatsprache, die andere ist Englisch. Ein noch geringerer Anteil hat eine Dritt- oder Viertsprache gelernt, die fast immer aus dem westlichen Kulturkreis stammt – aber eben nicht immer. Manche Menschen suchen auch nach einer Herausforderung, nach einer neuen Kultur, nach etwas besonderem. Also, wie wäre es mit Koreanisch? Aber warum ausgerechnet Koreanisch?

Koreanisch ist keine Weltsprache. Man begegnet ihr nicht tagtäglich auf der Straße. Trotzdem dürfte jeder mal etwas auf Koreanisch gehört haben: Psy ist mit seinem Obba Gangnam-Style Song einer der bekanntesten Vertreter seiner Sprache. Koreanischer Pop (K-Pop) ist besonders in Asien ein Phänomen. Für Deutsche ist K-Pop und K-Drama (TV-Serien) ein häufiger Grund, um über ein Studium der Koreanischen Sprache zu grübeln:

      Soll ich Koreanisch Lernen?
      Was kann ich damit anfangen?
      Mit wem soll ich Koreanisch sprechen?

Diese Fragen und noch mehr möchte ich euch beantworten. Also nicht grübeln – weiterlesen!

Teil 1: Faszination Koreanisch

Steige in ein Flugzeug, reise etwa 8500 km Richtung Osten und du findest dich hoffentlich in Korea wieder. Die halbe Weltkugel, die dazwischen liegt, spürt man sofort. Im ersten Augenblick erscheinen Sprache und Kultur fremd. Aber um die Sprache kennenzulernen müsst ihr nicht erst nach Korea; ich werde sie euch gleich vorstellen.

Zielgruppe Koreanisch

Doch beginnen wir mit der Frage: Wer lernt eigentlich Koreanisch? Es sind in erster Linie Koreaner, die nicht mehr in Korea leben oder Verwandte in Korea haben. Das Land ist eine homogene, also einheitliche Gesellschaft, in der es nicht viele Einwanderer und Ausländer gibt. Man bleibt lieber unter sich, und so bleibt Vielen dieses wunderschöne und kulturreiche Land verschlossen.

In Südkorea jedoch beginnt langsam ein Umdenken. Die Globalisierung der Wirtschaft sorgt dafür, dass immer mehr ausländische Firmen ins Land kommen. Ein großer Anteil derer, die Koreanisch lernen sind somit Geschäftsleute und Arbeiter. Aber nicht ausschließlich: Korea fasziniert, und zieht immer mehr Hobbystudenten in ihren Bann.

Sprachlich hoch interessant

Die Standardsprache des Südens heißt Pyojuneo (표준어) und basiert bei genauerer Betrachtung auf dem Dialekt, der in der Hauptstadt Seoul gesprochen wird. Im Norden ist die offizielle Sprache vom Dialekt um Pjöngjang abgeleitet und heißt Munhwamal (문화말). Alle Dialekte sind sehr ähnlich, mit Außnahme des Dialekts auf der Insel Jeju. Deshalb macht es auch Sinn, zunächst die südkoreanische Standardsprache zu studieren und darauf aufbauend andere Dialekte.

Damit ihr einen kleinen Überblick bekommt, was euch beim Sprachstudium erwartet, behandle ich die Teilaspekte Schrift, Aussprache und Grammatik getrennt:

Schrift

Die koreanische Schrift besteht aus zwei Komponenten: Hangul (한글) und Chinesische Zeichen, genannt Hanja (한자). Für den Sprachstudenten sind die Chinesischen Zeichen ein Problem: Ein Zeichen hat ein oder mehrere Bedeutungen und ein Wort besteht aus ein oder mehreren Zeichen. Das muss man alles auswendig lernen wie bei Chinesisch (Hanzi) und Japanisch (Kanji). Die gute Nachricht ist, dass man heute fast ohne Hanja auskommen kann. In Literatur und Zeitungen werden diese verwendet, um Lehnwörter aus dem Chinesischen eindeutig zu bestimmen.

Hangul bedeutet “die große Schrift”. Tatsächlich hatte man die Schrift schon 1446 unter dem König Sejong eingeführt, aber erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird diese auch als offizielle Schrift verwendet. Einen groben Überblick kann man sich auf Wikipedia verschaffen. Wer gleich Lust bekommen hat mit dem Lernen anzufangen, dem sei Korean Wiki Projekt (Englisch) empfohlen. Mehr über die Geschichte der Einführung der Schrift in Korea findet ihr auf dem Blog Pride of Korea.

Aussprache

In den Jahren seitdem ich mit dem Selbststudium begonnen habe, war weder die Schrift, noch die Grammatik ein großes Problem; es war die Aussprache. Denn das Komplizierte sind die Änderungen und Regeln, die zu beachten sind. Lasst mich die Schwierigkeiten bei der Aussprache mit einem Beispiel verdeutlichen:

Beispiel

Neue Wörter:

      Hangul Umschrift (gesprochen) – Übersetzung
      독일 togil (togil) – Deutschland
      에서 eseo (eso) – Marker für einen Ort (statisch)
      살아요 sarayo (sarajo) – leben, wohnen (höflich -아/어요)

독일에서 살아요. togil-eseo sarayo. (togiReso saRajo.) – Ich wohne in Deutschland. (Deutschland[Ort] wohnen.)
aber
독일 togil (thogiL) – Deutschland
살다 salda (saLda) – wohnen (Grundform -다)

Regel 1: Das Zeichen ㅇ ist am “Silbenanfang” lautlos. Verlängern wir nun ein Wort, dass mit einem Konsonanten endet mit einer Postposition, welche mit einem ㅇ beginnt, dann “wandert” bei der Aussprache der letzte Konsonant zum nächsten “Wort”:

독일에서 (togil-eseo) => 독이레서 (togi-reseo).

Regel 2: Das ㄹ am Wortende ähnlich wie ein “L” gesprochen wird, am Anfang und im Wort jedoch mehr wie “R”.

Die wirklichen “Regeln”, die ihr lernen müsst, sind natürlich viel allgemeiner gefasst; zur Verdeutlichung habe ich diese auf den speziellen Fall umgeschrieben.

Obwohl die richtige Aussprache schwer zu erlernen und zu verstehen ist, haben sich diese Regeln nicht ohne Grund entwickelt. Wenn ihr die Wörter/Sätze aussprecht, werdet ihr feststellen, dass sie die Aussprache natürlicher und einfacher machen. Im obigen Falls sorgen sie dafür, dass ihr die Wörter besser verstehen könnt, denn togileseo ist mit “ile” deutlich schwerer herauszuhören als “ire”. Also verzagt nicht – Koreaner haben von diesen Regeln wohl nie etwas gelesen und doch sprechen sie perfekt Koreanisch.

Grammatik

Die Koreanische Sprache gehört vermutlich zur Altaischen Sprachfamilie, und ist somit auch mit Japanisch und Türkisch verwandt. Überhaupt nicht verwandt dagegen sind Deutsch und Koreanisch. Wir werden uns den Satzbau anschauen, die Nebensätze und die Verben und Adjektive.

Satzbau: Schon mit dem ersten Satz fängt es an: Die koreanische Grammatik stellt den deutschen Satz auf den Kopf und das Verb (Prädikat) immer ans Ende.

Beispiel für Satzbau

“Ich lerne Koreanisch.”
wird übersetzt mit “나는 한국어를 공부해요”,
sprich: “na-nün hang-guko-rül gongbu-häjo”.
Das Verb ist 공부해요, lernen.

Bei einem solch kurzen Satz, erkennt man es nicht sofort: Beim Koreanisch Sprechen muss man anders denken als gewohnt. Der Satzbau im Deutschen lautet Subjekt-Prädikat-Objekt (SPO), im Koreanischen hingegen Subjekt-Objekt-Prädikat. Das bedeutet auch, dass umso komplizierter der Satz ist, umso mehr kann die Struktur des Originals von dem der Übersetzung abweichen. Besonders Simultan-Übersetzer leiden unter diesem Umstand.

Zum Markieren von Subjekt, Objekt, Ort oder anderen Satzbestandteilen werden vorgegebene Postpositionen verwendet. Gibt es für einen Marker zwei Varianten, so verwendet man die erste für koreanische Wörter, die mit einem Konsonanten enden, die Zweite für Wörter, die mit einem Vokal enden. Beispiel: 한국은 (Betreffend Korea) 한국어는 (Betreffend Koreanisch).

Beispiele für Marker

은/는 (ün / nun) : Themen-Marker, vgl. im Deutschen mit der Floskel: “Betreffend …”
이/가 (i / ga) : Subjekt-Marker
을/를 (ül / rül) : Objekt-Marker
에 (e) : Ort-Marker (Richtung), z.B. Ich gehe ins (also Richtung) Krankenhaus. (Bewegungsverben: gehen, kommen);
            Zeit-Marker (Zeitpunkt), z.B. um 14 Uhr (Zeitpunkt) gehe ich.
에서 (eso) : Ort-Marker (Ort der Handlung), z.B. Ich lerne Koreanisch im (also Ort der Handlung) Klassenzimmer. (Handlungsverben, siehe Kapitel: Verb und Adjektiv)

Nebensatz: Im Deutschen haben wir eine große Auswahl, wie wir den Nebensatz mit dem Hauptsatz verbinden:

  • davor: Weil es ein schöner Tag ist, lernen wir heute Koreanisch.
  • eingeschoben: Wir lernen heute, weil es ein schöner Tag ist, Koreanisch.
  • danach: Wir lernen heute Koreanisch, weil ein schöner Tag ist.

Im Koreanischen steht der Nebensatz immer vor dem Hauptsatz.

Der vorgestellte Nebensatz:

  • davor: 좋은 날이기 때문에 (우리들은) 한국어를 공부해요. (tscho-un narigi dämnune uhriturün han-gukorül gongbu-häjo.)

Im Koreanischen übernehmen Wortendungen die Aufgabe der Verbindungswörter. Im Beispiel ist die Wortendung für “weil” -기 때문에. Ein interessanter Fakt: Für “weil” gibt es etwa 15 verschiedene Endungen, u.a. (이)라/아/어서, -기 때문에, -(으)니까, 느라고, 더니.

Verb und Adjektiv: Beide gibt es auch im Koreanischen. Adjektive werden in vielen Büchern auch “beschreibende Verben” (DV, descriptive Verb) genannt, denn sie haben mit den Handlungsverben (AV, Action Verb) viele Endungen gemeinsam. Dennoch gibt es Unterschiede, wie zum Beispiel in der indirekten Rede:

Beispiel für Indirekte Rede
  • AV: -ᄂ/는다고 하다 – z.B. lernen: 공부하다, 공부한다고 하다. (gongbu-hada, gongbu-handago hada)
  • PV: -다고 하다 – z.B. schön: 예쁘다, 예쁘다고 하다. (yeb-buda, yeb-budago hada)

Ein erstes Fazit

Alles soweit verstanden? Müsst ihr gar nicht! Der Artikel sollte euer Interesse an der koreanischen Sprache wecken, und die detaillierten Beispiele eure Neugier befriedigen. Es ging heute um die sprachlichen Besonderheiten, also das, was euch langfristig motivieren sollte: Neugier und Herausforderung. Herausforderung deshalb, weil diese Sprache schwer zu erlernen, und noch schwerer zu meistern ist. Dafür gehört ihr später zu einer nur kleinen Gruppe von Personen in Europa, die Koreanisch beherrschen. Und mit dieser Fähigkeit schafft ihr euch neue Möglichkeiten und Perspektiven für eure Zukunft. Beim Sprachenstudium ist und bleibt eure Ausdauer einer der wichtigsten Gradmesser eures Erfolges.

Die Sprache alleine zu erlernen ist jedoch nicht alles. Ihr müsst auch jene verstehen, die sie verwenden: Koreaner. Und wo sich Korea und Deutschland sich in ihrer Kultur zutiefst unterschieden, wo man Achtsam sein sollte und wo das Verständnis beginnt, das verrate ich euch im zweiten Teil der Serie: Ausgerechnet Koreanisch.


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Jiwon

Du weißt besser als Koreanerin. gute Information!!